GRAF+ZYX        | ZUR BIOGRAFIE |

Grafik | Website

Grafische Gestaltung der Drucksorten [unter Verwendung von Arbeiten von Heliane Wiesauer-Reiterer, K.U.SCH. und GRAF+ZYX]
Gestaltung und Programmierung der Website
Redaktion
 

 






DIE SCHLANGE. selbstportrait 1980
computerzeichnung vor videostill aus »the background of vasarelys eye«, 2006
tintenstrahldruck, format 70 cm x 100 cm
Installationsansicht
DIE VERWALTUNG DES VOYEURISTISCHEN BLICKS. selbstportrait 1977
tintenstrahldruck, format 220 cm x 84 cm
GRAF+ZYX 05 : ZEITDRIFT/TRIFFTRHIZ. musikvideo 00:27:54 min
1 Foto © GRAF+ZYX
2+3 Foto © Heliane Wiesauer-Reiterer
 
   
GRAF+ZYX        | ZUR BIOGRAFIE |

[04] DIE SCHLANGE
text-zeichnung-fotografie-musik-video

visuelles arrangement mit text, zeichnung, fotografie und musikvideo
 

      Stadtkeller
 






HOCKENDER MANN MIT HERUNTERGELASSENER HOSE
SERIE: »zeitsprung : ich 1977 und ich 1980 mit grauen kreisen«, selbstportraits 1977–2006.
computerzeichnung vor videostill, tintenstrahldruck, format 70 cm x 100 cm
Foto © GRAF+ZYX
 
   
GRAF+ZYX        | ZUR BIOGRAFIE |

[0] – [2] ZEITSPRUNG
ICH 1977 UND ICH 1980 MIT GRAUEN KREISEN

KURZKONZEPT

künstlerische position
die arbeiten von GRAF+ZYX sind interdisziplinär geprägt und in den bereichen installation, raum, skulptur in verbindung mit musik/ton/fotografie/zeichnung/text angesiedelt.
die neuen medien und deren technische entwicklung werden in konkurrenz zu persönlichen spirituellen und physischen erfahrungen immer als mittel zur dekonstruktion traditioneller (auch künstlerischer) disziplinen und haltungen eingesetzt.
in aufwändigen gestaltungsprozessen werden bild und ton solange moduliert, überlagert, vernetzt, reduziert, zerstört und wieder neu zusammengefügt, bis daraus das »mediensynthetische« material für komplexe programme entsteht.

für das schielefestival neulengbach konstruieren sie um das thema »verbotene blicke« ein auf unterschiedlichen ästhetischen und theorethischen ansätzen aufbauendes interdisziplinäres »visuelles arrangement«, mit dem ziel, den blick von der offensichtlich emotionalen, erotischen komponente des themas weg auf den anderen handlungsspielraum, den einer streng formalen künstlerischen lösung, zu lenken.
© tamara star|r|


[0]
schiele und die grenzen der zeit.
kritiker könnten natürlich kühn behaupten: ein dorf will sich in szene setzen, um jeden preis, und sei es nur mit der »historisch peinlichen tatsache«, dass in dieser für die kunst- und geisteswelt so unbedeutenden region egon schiele – der heute weltweit als »bahnbrecher der österreichischen moderne« gehandelt wird – im jahr 1912 für drei wochen im zellentrakt von neulengbach eingesessen hat.
der offizielle hintergrund zur inhaftierung und zur anklage sowie der ausgang dieses verfahrens sind hinlänglich bekannt und brauchen an dieser stelle nicht weiter behandelt zu werden. die historischen fakten können jederzeit durch einen besuch im zum museum umgewidmeten zellentrakt des ehemaligen gefängnisses von neulengbach nachgelesen werden.

was aber allgemein bei dieser spöttischen betrachtung übergangen wird ist, dass schiele, der anfang des 20. jahrhunderts künstlerisch vorwiegend im wiener umkreis tätig war, zu seiner zeit weder weltberühmt war noch einen hohen marktwert hatte. schiele war 1911/12 ein unbedeutender österreichischer künstler und arm und erst ein jahr später, nämlich 1913, in der 43. ausstellung der secession, die erstmals auf die förderung noch jüngerer, weitgehendst unbekannter österreichischer künstler ausgerichtet war, findet sich schiele als mitausstellender unter 81 künstlerkollegen wieder.
»… zwei gemälde mit herbstlichen bäumen und vier zeichnungen hatte schiele eingesandt, …«1 und mit dieser ausstellungsteilnahme hatte er überhaupt erst seinen ersten schritt in die damals bedeutende wiener kunstwelt rund um die wiener secession getan.

schiele in neulengbach ist also nicht ident mit dem schiele, den wir aus unseren geschichtsbüchern kennen. der egon schiele von 1912 ist ein armer schlucker, ein spinner und ein noch gesellschaftlich unbedeutender 22-jähriger maler von zweifelhafter moral und unter diesem aspekt muss man die misstrauische beobachtung und das rigide handeln der neulengbacher bevölkerung und der »ortsgewalt« sehen. und wenn damals schon insider der kunstwelt schieles werk als nicht für gerade außerordentlich förderungswürdig hielten, wie könnte man diesen visionären kulturellen weitblick von einer kleinen, geschlossenen, ländlichen ortsgemeinschaft fordern.
aber gerade die position des moralisch anrüchigen außenseiters übte – und tut dies in manchen fällen auch heute noch – im gegensatz zur kollektiven ablehnung einer geschlossenen gesellschaft eine faszination auf personen aus, deren interesse an der umwelt noch von ihrer neugierde auf alles »verbotene« gelenkt und deren denken noch nicht vom regelwerk der sozietät in die alltägliche norm einer doppelmoral gezähmt wurde, und aus dem spannungsverhältnis dieser gruppendynamischen realität und dem sich zur jugendlichen unschuld hingezogen fühlen des künstlers bzw. seiner künstlerischen urentscheidung, seiner erotischen vorliebe in perfekt komponierten zeichnungen ausdruck zu verleihen, erhält der boden des konflikts von 1912 sein nährendes substrat und so kommt es – von shakespearehaft anmutenden aktionen aller beteiligten begleitet – zum historisch bekannten eklat.
1 christian m. nebehay, egon schiele, 1980–1918. leben, briefe, gedichte, wien 1979, 244 (437–440).
© tamara star|r|


»die besonderheit der quantenmechanik liegt darin, daß sie ein anderes bild von der wirklichkeit vermittelt. danach hat ein objekt nicht nur eine einzige geschichte, sondern alle geschichten, die möglich sind.«2
2 stephen hawking, einsteins traum. expedition an die grenzen der raumzeit. new york 1993, s. 60.


[1]
schiele und das mädchen.
schiele war aufgeregt und ungeduldig und wegen seiner bis zum hals zugeknöpften jacke rann ihm der schweiss in strömen über rücken und bauch.
die schutzhülle der karte, die er im hintergrund des ateliers zwischen den dekorationsstücken entdeckt und instinktiv, ohne sie genauer anzusehen unter sein hemd vorne in die hose gesteckt hatte, klebte bereits am körper fest.
im anschluss an seine reflexartige handlung hätte er gerne rasch den ort seiner tat verlassen, aber da das unter keinen umständen möglich war, stand er nun, die hände vor dem körper verschränkt, bewegungslos steif mit dem rücken zu den erwachsenen und achtete auf jedes geräusch.
er kannte das ritual schon auswendig. der fotograf reichte seinem vater eine dieser ominösen karten, dieser zog sie vorsichtig aus der hülle, betrachtete sie aufmerksam, schüttelte den kopf und gab sie lachend mit dem kommentar: »nicht ganz das, was ich mir so vorgestellt habe«, zurück.
aus erfahrung wusste schiele, dass diese art der unterhaltung noch lange dauern konnte.
er fragte sich schon seit längerer zeit, was auf diesen karten, über deren inhalt die beiden männer am tisch stehend sich so angeregt unterhielten, wohl sein könnte und warum gerade er aus dieser kommunikation so konsequent ausgeschlossen wurde – und jetzt war er dicht an der aufklärung dieses rätsels, jetzt besaß er durch zufall selbst eine dieser karten und seine neugierde und sein schlechtes gewissen brachten ihn fast um.
normalerweise arrangierte er, wärend sein vater und der fotograf mit den karten beschäftigt waren, die dekorationsstücke des ateliers um, simulierte eigene fotografische situationen und probierte vor dem atelierspiegel posen und gesten und wenn vorne an der ladentheke die beiden männer sich durch stöße von karten wühlten und die unterhaltung immer angeregter wurde, kletterte schiele regelmäßig unter das stativ und trainierte, unter der kamera hockend – wie er es für sich heimlich formulierte – den blick des fotogafen. als er noch kleiner war, hatte er sich immer gefragt, wieso die wirklichkeit des studios anders als die wirklichkeit der aussenwelt war, aber in der zwischenzeit hatte er dieses rätsel für sich gelöst. es waren das fehlen der raumtiefe und der leere flache hintergrund. schiele betrachtete zur überprüfung seiner persönlichen theorie immer wieder die ausgestellten fotografischen arbeiten. auf den fotos sah alles so wohlarrangiert aus, die perspektive wurde durch die besondere gruppierung der personen und durch sparsam gesetzte dekorationsstücke angedeutet und das licht war so vollkommen und präzise gesetzt, dass die fotografischen ergebnisse einfach perfekt und fast unnatürlich sauber aussahen. eine fotografie war eine art künstliche wirklichkeit, ein arrangement, das so im alltag nicht existierte, was aber war auf diesen, dem öffentlichen blick vorenthaltenen karten zu sehen, von denen jetzt ein exemplar auf seinem bauch festklebte?

schiele heftete die zeichnung an die wand. dieser offene strich und der lockere aquarellhafte farbauftrag ließen die mädchenfigur förmlich im raum schweben. es war die perfekte darstellung einer flüchtigen, vergänglichen situation. er war zufrieden mit sich und seinem blatt.
sein stil hatte sich in den letzten jahren stark individualisiert bzw. gefestigt und auch mit der künstlerischen themenfindung war er persönlich gut klargekommen. eine gekonnt aufreizend expressive umsetzung einer beliebigen, ganz normalen, realen alltagssituation – deren mögliche, bessere verkaufbarkeit ihm sein kunsthändler ebenfalls vorsichtig angedeutet hatte und die ihn auch menschlich zutiefst beschäftigte – war etwas, was nicht nur ihn, sondern alle jungen männer der neukunstgruppe künstlerisch reizte. sie konnten erstmals von sich behaupten, sich mit ihrer neuen malerei erfolgreich vom abgehobenen inhalt und dem eingesessenen stil der akademiekünstler distanziert zu haben. eine neue, zeitgemäße künstlerische ausdrucksweise war geboren worden. dass sie erfolgreich werden würde, hoffte jeder von ihnen – aufregung verursachte sie auf jeden fall schon jetzt.
schiele studierte noch einmal prüfend den gesichtausdruck seines motivs, irgendetwas in diesem blick kam ihm so besonders vertraut vor, und in diesem moment der erkenntnis holte ihn seine kindheit wieder ein.

[2]
hockender mann mit heruntergelassener hose.
schiele ließ die maus erleichtert fallen und schob die tastatur weit von sich. endlich. nach 16 stunden konzentrierter bildschirmarbeit, hatte sie ihre erste computerzeichnung fertig und erleichtert den druckauftrag übers netzwerk an den drucker übergeben und versuchte, obwohl sie aus erfahrung wusste, dass die übertragung der gigabyte-datei etwas länger dauern würde, immer wieder aus den geräuschen des plotters einen eventuellen druckfortschritt herauszuhören.
wann würde dieser endlich damit beginnen, seine 4 druckköpfe gleichmäßig über das papier zu ziehen und in der folge den blick [zeile um zeile] auf das gedruckte endergebnis freizugeben.
diese ungeduld brachte natürlich nichts. denn erst dann und nur dann, wenn das bild in originalgröße ausgedruckt vor ihr an der wand hing, konnte sie überprüfen, ob komposition und form zu ihrer zufriedenheit gelungen waren. farbauftrag und farbwert war gesichert, das hatte sie schon in verschiedenen testdrucken ermittelt, aber die qualität von komposition und dichte einer arbeit konnte sie in der starken verkleinerung am bildschirm nicht wirklich beurteilen und nur wenn das erste blatt zu ihrer zufriedenheit ausfiel, konnte sie ihr konzept ohne unterbrechung abarbeiten. wenn nicht, dann – aber darüber zerbrach sie sich jetzt noch nicht den kopf.
das thema selbst hatte ihr keine schwierigkeiten bereitet, hatte sie eher amüsiert, denn schon beim lesen des bildtitels »stehendes mädchen mit erhobenem rock« war ihr sofort blitzartig, da sie ja immer zu widersprüchen neigte, der titel »hockender mann mit heruntergelassener hose« durch den kopf geschossen und aufbauend auf diesem einfall entwickelte sie ihre entwürfe zur serie in comix-manier. die rein sexuell oder mental allgemeingültige komponente dieses themas interessierte in diesem jahrtausend der moralischen freizügigkeit sowieso niemanden mehr wirklich. nur streng individuelle interpretationen und formal überraschende qualitäten bestimmten den wert einer künstlerischen arbeit und das war ihr nicht schlecht gelungen. scharf begrenzte formen und farben vor der ausdehnung eines unendlichen himmels, ein spiel mit figuren, posen und scheinbeziehungen in einer streng künstlerisch regulierten strich-, farb- und stilmatrix – eine arbeit so ganz nach ihrem geschmack.
© BILL WYMO [the snake]
 

31.08. bis 02.09. 2006      Stadtkeller
 






aus dem visuellen arrangement: NICE TO MEET YOU, MR. SCHIELE
ONLY2 1980. videosession zu »bad manners«.
videografie, tintenstrahldruck, format 70 cm x 100 cm
Foto © GRAF+ZYX
 
   
GRAF+ZYX        | ZUR BIOGRAFIE |

[3] Nice to Meet You, Mr. Schiele
visuelles arrangement

[3]
nice to meet you, mr. schiele.
er versuchte schon seit stunden diese sonderbaren bilder einzuordnen und in für ihn erkenntnisrelevante zusammenhänge zu stellen, aber seine gedanken gingen unkontrollierbar ihre eigenen wege. er hatte die gruppe sofort über seinen besonderen mentalen ausnahmezustand informiert, dennoch hatten sie ihre entscheidung zugunsten seiner person getroffen. er sollte der erste im transferraum sein. durch seine qualifikation und sein alter hatte er das größte latente wissen aufzuweisen und die anderen kalkulierten damit, dass seine ergebnisse sie mehr als nur einen kleinen schritt weiter in der lösung des rätsels bringen sollten.

so lag er nun im halbdunkel des raums, über sich das unruhige flackern einiger noch funktiontüchtiger kontrollmonitore, und ließ seine gedanken zeitrekursiv fließen. millimeter um millimeter. eigentlich war es ungewöhnlich, dass eine basis – er war sich nicht einmal mehr sicher, ob es überhaupt eine solche war – in dieser scheinbar unzivilisierten umgebung mit dieser armseligen ausstattung überhaupt einen transferraum hatte. die technik dieses raums war sozusagen altertümlich aber gerade der umstand der technischen primitivität hatte eine reparatur ohne high-tech werkzeuge überhaupt erst ermöglicht.
zuvor hatten sie tagelang ohne sichtbaren erfolg ihren neuen aufenthaltsort aufs genaueste nach brauchbarem und funktionstüchtigem gerät durchsucht und zu ihrer orientierung exakte aufzeichnungen über das gesamte inventar geführt, aber irgendwie erschienen ihnen ihre notizen am ende doch nicht stimmig und bei ihren wiederholten kontrollgängen mußten sie die meisten ihrer erkenntnisse wieder korrigieren, ja sogar revidieren. entweder waren ihnen während ihrer erkundungsgänge fehler unterlaufen oder irgendetwas stimmte mit diesem ort ganz entschieden nicht.
er erinnerte sich genau an die sonderbaren vorgänge, die zur entdeckung dieses raums geführt hatten. erst bei der vierten kontrolle des sektors C hatten sie den transferraum entdeckt. eigentlich nur durch zufall und obwohl sie bei ihren erkundigungen absolut systematisch vorgegangen waren, war es nur ein kleiner lichtreflex auf der gegenüberliegenden wand, der sie auf die unscheinbare tür aufmerksam werden ließ. sieben stunden hatte es allein gedauert, den mechanismus der tür wieder in stand zu setzen, um einen blick in den bisher vor ihnen verborgenen raum werfen zu können.
egal, er schob diese gedanken als unproduktiv beiseite und fokussierte seinen blick erneut auf die flackernden monitore.
© BILL WYMO [the snake]
 

31.08. bis 02.09. 2006      Stadtkeller
 






foto-video-musik-licht-installation in der zelle nr. 1
DIE KÃœNSTLERISCHE VERWALTUNG DES VOYEURISTISCHEN BLICKS
selbstportraits 1977, video 2005-2006, musik 1977 © GRAF+ZYX
 
   
GRAF+ZYX        | ZUR BIOGRAFIE |

[4] die künstlerische verwaltung des voyeuristischen blicks
foto-video-musik-licht-installation

wir werden die zelle voraussichtlich für 12 stunden durchgehend bespielen.
die medieninstallation »die künstlerische verwaltung des voyeuristischen blicks« wurde speziell für das thema »verbotene blicke« und für die zelle konzipiert und gestalterisch so aufgebaut, dass die zelle für diese arbeit zugesperrt sein muss und das werk nur durch das kleine guckloch betrachtet und gehört werden werden soll.

[4]
die künstlerische verwaltung des voyeuristischen blicks.
in der titelei zur installation ist auch die mögliche erklärung zum grundlegenden konzept des beitrags von GRAF+ZYX zu diesem schielefestival zu finden.
ein thema aufklärend zu erläutern oder inhaltlich zu interpretieren liegt abseits ihres künstlerischen interesses und die demarkationslinie zwischen kunstproduktion und kunstkonsum soll durch ihre beiträge nicht aufgehoben und beseitigt, sondern im gegenteil, verstärkt sichtbar gemacht werden. denn »zwischen kunst und masse« muss ihrer ansicht nach »eine unüberwindliche spannung bestehen, wäre dies nicht so, würde die kunst im alltäglichen verkommen«. ihre arbeit verweigert sich mit dieser strategie erfolgreich dem durch die ästhetik der massenmedien geformten blick des ungeschulten kunstbetrachters und – durch die inhaltliche und formale verweigerung kunsttheoretischer regeln und inhalte – auch dem blick des traditionsbewussten, marktorientierten kunsttheoretikers und weist diese damit in die schranken.
in ihrer künstlerischen arbeit findet man keinen ansatz zur modernen interpretation der im kulturbetrieb fixierten künstlerischen position schieles, denn ihnen geht es ganz unspektakulär um die überschreitung von denkgrenzen und die verschiebung von regeln in jede nur mögliche richtung zugunsten einer freien, höchst individuellen, künstlerischen interpretation eines themas.

oft wird von kunstkritikern »gute kunst« über die universelle eigenschaft »das allgemeingültige im individuellen heraufzubeschwören« definiert. dieser denkansatz führt kunstproduzenten und kunstkonsumenten zwangsläufig sofort in die »pantomimenfalle«, in eine am massenverständnis abgeschliffene, standardisierte verwendung von codes. dieses allgemeingültige markiert immer die unterste, breiteste ebene in der nonverbalen verständigung und ist das, was übrigbleibt, wenn man »das trennende, spezielle« zum zweck der brauchbarkeit für massenkommunikation weglässt. es bedeutet sozusagen den verlust des besonderen in der kunst, impliziert aber auch gleichzeitig, dass kunst etwas allgemeinverständliches, geschlossenes haben muss und sich daher vielen, als ein ohne besondere vorbildung über die emotionale schiene leicht erfassbares, genießbares konstrukt darzustellen hat, und verbunden damit ist zudem der unterschwellige anspruch, dass »gute kunst« auch einem größeren, ungeschulten publikumskreis zu gefallen habe. dieser anspruch des leicht konsumierbaren, allgemein verständlichen kann für die produktionen der unterhaltungsindustrie eine zwingende gesetzmäßigkeit darstellen, hat aber in der bewertung von experiment und avantgarde nichts verloren, denn da müssen andere regelwerke und bewertungsrichtlinien herrschen.
bei der beurteilung ist hier der maßstab der individuellen qualität seiner protagonisten innerhalb ihres künstlerischen fachs anzulegen und unter diesem aspekt sind dieses schielewerkstattfestival und ihre protagonisten zu sehen. als veranstaltung, in der hochqualifizierte künstler eine höchst persönliche beziehung zu einem thema herstellen, diese erkenntnisse mit allen ihnen zur verfügung stehenden regeln ihrer kunst künstlerisch aufbereiten und einem interessierten publikum zur diskussion anbieten.
© tamara star|R|
 

01.09.2006 | 02:00–14:00      Schielemuseum : Zellentrakt