© Heliane Wiesauer-Reiterer
 
   
FRANZ-JOSEF HEUMANNSKÄMPER        | ZUR BIOGRAFIE |

Textperformance
gemeinsam mit Uta Wagner

Ein steiles Zimmer. ECKIG.
»Ich bin ein ungeordneter Mensch«
Eine Emmy Hennings Textperformance

Der renommierte deutsche Regisseur Franz Josef Heumannskämper ist 2006 zum ersten Mal Gast beim SCHIELEwerkstattFESTIVAL in Neulengbach.

Gemeinsam mit der deutsch-belgischen Schauspielerin Uta Wagner wird er die Schiele-Zellen mit Texten aus dem Werk »Das Brandmal« von Emmy Hennings – avantgardistische Dichterin, Schriftstellerin und Schauspielerin (1885–1948) – bespielen. Flankiert wird die Textcollage mit Auszügen aus verwandten Werken der Vor- und Zwischenkriegszeit – etwa von Hugo Ball, Jakob von Hoddis, Else Lasker-Schüler und Erich Mühsam – um dem bewegten Leben einer bewegten Frau zu folgen, deren Kunstauffassung und Schicksal verblüffende Überschneidungen mit Lebensstationen Egon Schieles aufweist.

»Hier ist nicht mehr Debatte. Hier ist die Zeit am Körper, erlebt und erlitten«, schrieb Hugo Ball bei Erscheinen von »Das Brandmal« (1920), in dem Emmy Hennings ihr eigensinniges, widersprüchliches und faszinierendes Leben beschreibt, als Armut die Wanderschauspielerin zeitweise zum Hausieren und zur Prostitution zwang, die erniedrigenden Lebenserfahrungen ihr zum Brandmal wurden.

»Ich lebe im – Vielleicht / Bin eine stumme Frage...«

Obwohl das Buch »Das Brandmal«, das Franz Josef Heumannskämper und Uta Wagner zu ihrer Arbeit in den Schiele-Zellen inspirierte, erst 1920 erschien, beruht die Erfahrung, die darin dokumentiert ist, aus der Zeit vor und um 1911 – also jener Zeit, die Egon Schiele in Neulengbach verbrachte.

Wie Egon Schiele kannte auch Emmy Hennings die Erfahrung von Gefängnis: Aus der kleinbürgerlichen Enge Flensburgs trieb ihre »Weglaufsucht« sie mit Wandertheater quer durch Deutschland, auf die Bühnen europäischer Varietés und Cabarets, in die Abgründe von Drogensucht, in die schrille Berliner und Münchner Bohème. 1912 erschien ihr erstes Gedicht »Äther« in der Zeitschrift »Die Aktion«. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs emigrierte sie mit Hugo Ball nach Zürich und begründet mit ihm dort im Jahr 1916 den kunsthistorisch bedeutsamen Künstlerklub»Cabaret Voltaire« – die Keimzelle des Dadaismus. Es folgte eine rastlose Zeit der politisch-journalistisch-künstlerischen Emigrantenszene Zürichs. Die Namen von Hennings WeggefährtInnen lesen sich wie eine Enzyklopädie der europäischen Avantgarde der Zeit. 1920 begegnete Hennings dem Dichter Hermann Hesse in Montagnola (Schweiz), der ein Freund fürs Leben wurde. Seit damals lebte Hennings im Tessin und in Italien, reiste ruhelos, schrieb rastlos – immer auf der Suche, ihren »Vielfachheiten« auf der Spur, bis der Faschismus dem unruhigen Nomadenleben ein Ende setzte.
 

      Schielemuseum : Zellentrakt